Auszug aus dem Interview mit Wolf von Lojewski und dem Journalisten Tilmann P. Gangloff vom 06.01.2008

Neben den Begegnungen mit den Menschen und den prächtigen Landschaftsaufnahmen lebt die Wirkung des Films nicht zuletzt von der Musik. Sie arbeiten immer wieder mit dem Komponisten-Duo Bösel / Rolletter zusammen. Was zeichnet die beiden aus?

VON LOJEWSKI: Eine große Begeisterung für die Arbeit. Sie sind es einfach gewöhnt, in „Bildern“ zu komponieren. Die Musik zu „Masuren“ halte ich für das Beste, was sie je komponiert haben. Dabei fand ich sie zunächst viel zu kitschig, aber zu den Bildern passt sie perfekt.

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KÖLNER STADT-ANZEIGER: Herr von Lojewski, woher rührt die Faszination des Publikums für Ostpreußen? Es werden ja nicht alle ihre Wurzeln in Masuren haben.

WOLF VON LOJEWSKI: Es ist eine Heimat, die nicht jeder hat und die es nicht mehr gibt. Sie ist wie der Süden Amerikas in der Geschichte verloren gegangen. Das hat einen besonderen Reiz. Wer in Frankfurt aufgewachsen ist, für den ist die Stadt etwas Selbstverständliches. Von Ostpreußen aber haben viele eine eher träumerische Vorstellung; daher die Neugier.

Ist es für die Wirkung Ihrer Filme wichtig, dass Sie auch einen Teil Ihrer eigenen Biografie erzählen?

VON LOJEWSKI: Das glaube ich nicht. Ich habe die Heimat mit sieben Jahren verlassen und nur punktuelle Erinnerungen. Es ist einfach eine faszinierende Landschaft; allein in Masuren soll es über dreitausend Seen geben, und dazwischen sehr, sehr viel Wald.

Das Begriffspaar Heimat und Ostpreußen war bis vor einigen Jahren zumindest heikel. Kann man es mittlerweile tatsächlich unbefangen verwenden?

VON LOJEWSKI: Ich weiß nicht, ob Politiker das schon können, aber die Menschen dort gehen sehr unverklemmt mit dem Thema um. Kein Pole oder Russe hielt es für nötig, mich noch mal über die deutsche Kriegsschuld aufzuklären. Man findet es ganz natürlich, dass auch andere sagen „Das ist meine Heimat“: weil „Heimat“ kein Kampfbegriff mehr ist. Geschichte war in Ostpreußen immer Teil des politischen Kampfes, und diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei.

Welche Rolle spielt die EU in diesem Prozess?

VON LOJEWSKI: Eine große Rolle. Ein polnischer Soziologieprofessor sagte mir, selbst die Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen sei doch schon wieder Geschichte. Europa sei das aktuelle Thema. Und das stimmt auch, hat aber leider einen Nebeneffekt: Je näher Masuren und die baltischen Staaten an Europa rücken, desto höher wird die Mauer zur natürlichen Metropole der Region, Kaliningrad. Nicht mal an der Grenze zur DDR ist man früher derart lange aufgehalten worden. Wenn man Pech hat, muss man bis zu 24 Stunden warten. Die polnischen Beamten, mittlerweile Hüter der EU-Grenze, sind übrigens keinesfalls schneller oder freundlicher als ihre russischen Kollegen.

Sie sind als Siebenjähriger mit Ihrer Mutter über das zugefrorene Haff geflohen, haben also erlebt, was der ARD-Film „Die Flucht“ schildert. Sind die Ereignisse richtig wiedergegeben worden?

VON LOJEWSKI: Ja, der Film hat den Kern der Geschichte getroffen. Es war ja in der Tat die Stunde der Frauen; die Männer waren im Krieg. Die Nazi-Schergen haben der Bevölkerung verboten zu fliehen. Ich weiß aus den Erzählungen meiner Mutter, das rechts und links vom Wege Leichen und tote Pferde lagen. Außerdem wurden wir von Tieffliegern angegriffen. Ich erinnere mich jedoch nur noch an strahlenden Sonnenschein und bittere Kälte. Ich habe die Wanderung als Kind offenbar vor allem als Abenteuer empfunden.

Würden Sie Ostpreußen als Heimat bezeichnen, obwohl sie nur einen Teil Ihrer Kindheit dort verbracht haben?

VON LOJEWSKI: Ja, weil meine Eltern mir das immer wieder eingebläut haben. Ich habe aber nie erwogen, später wieder dorthin zu ziehen. Ich werde sicher noch mehrfach hinfahren, aber auch Urlaub zum Beispiel assoziiere ich doch eher mit wärmeren Regionen.

Neben den Begegnungen mit den Menschen und den prächtigen Landschaftsaufnahmen lebt die Wirkung des Films nicht zuletzt von der Musik. Sie arbeiten immer wieder mit dem Komponisten-Duo Bösel / Rolletter zusammen. Was zeichnet die beiden aus?

VON LOJEWSKI: Eine große Begeisterung für die Arbeit. Sie sind es einfach gewöhnt, in „Bildern“ zu komponieren. Die Musik zu „Masuren“ halte ich für das Beste, was sie je komponiert haben. Dabei fand ich sie zunächst viel zu kitschig, aber zu den Bildern passt sie perfekt.

Sie sind jetzt siebzig, die Memoiren sind geschrieben, aber man hört ja nicht auf, Journalist zu sein. Wie sieht Ihr Lebensinhalt aus?

VON LOJEWSKI: Ich bleibe dem Journalismus auch weiter treu, schreibe mal wieder ein Buch, reise viel. Außerdem habe ich vor einigen Jahren das Golfen entdeckt, werde darin aber nicht besser, dafür müsste ich regelmäßiger spielen, was mein Tagesablauf nicht zulässt.

Zu diesem Tagesablauf gehört sicherlich nach wie vor das „heute journal“. Gibt es etwas, das sich nach Ihrem Abschied verändert hat?

VON LOJEWSKI: Die Teams spielen sich heute viel harmonischer als wir früher die Bälle zu.

Und was sollte verbessert werden?

VON LOJEWSKI: Die eigentliche Konkurrenz der Sendung sind ja nicht die „Tagesthemen“, mit denen sie immer verglichen wird, sondern die anderen ZDF-Nachrichten. Für den Bericht im „heute journal“ – etwa über einen Parteitag – muss es auch in Zukunft immer den eigenen Reporter geben, der nicht einfach nur wieder aufkocht, was schon vom Mittagsmagazin an durch alle Sendungen lief.

Bei allem Respekt vor dem hohen Informationsanteil: Kritiker werfen ARD und ZDF vor, immer unterhaltsamer zu werden.

VON LOJEWSKI: Auf der anderen Seite kann man nicht immer nur harte Kost zeigen, dann fragt sich der Zuschauer irgendwann, warum er Gebühren zahlen soll für Programme, die an seinem Geschmack vorbeisenden. Es gibt ja immer wieder Produktionen, die aller Ehren wert sind, zuletzt zum Beispiel „Contergan“ von der ARD. Und ich empfinde durchaus noch Stolz, wenn ARD und ZDF die Fußball-WM übertragen. Ich halte so etwas für zutiefst öffentlich-rechtliches Fernsehen.

Link zum Onlineartikel „In der Geschichte verloren“