Von der Kunst, den richtigen Ton zu treffen
Jeder Ort hat seinen eigenen Klang und seinen eigenen Rhythmus. Im Frankfurter Bahnhofsviertel ist diese Klangkulisse besonders intensiv. Sie hat ihren eigenen Charme und ihre eigene Tonalität.
Musik mit Signalwirkung
Unsere Musik greift diesen Pulsschlag, das Tempo des bunten Treibens im Bahnhofsviertel auf. Wie schon bei früheren dokumentarischen Serien haben wir Original-Geräusche in die Titelmusik eingebaut. So entsteht ein authentischer Klangcharakter, der „Lokal-Kolorit“ erzeugt, zum Aushängeschild wird, Signalwirkung hat. Der stampfende Maschinenbeat der Dampflok wird bei uns ebenso in die Musik integriert wie Autohupen, Pfeifgeräusche oder Türenschlagen. Unsere Musik soll den Zuschauer fesseln. Noch wichtiger ist, dass sie den Protagonisten gerecht wird. Alle unsere Musiken versuchen, den individuellen Charme der jeweiligen Personen aufzunehmen. Jede Person bekommt ihr eigenes Leitmotiv und eine charakteristische Instrumentierung.
Noten, die zu Moses passen
Gerade im Bahnhofsviertel gibt es Geschichten, die in Grenzbereiche führen. Da ist Moses der Fixer. Seit dreißig Jahren nimmt er Drogen und das sieht man ihm auch an. Er ist der Kamera sehr nahe. Seine Geschichte geht emotional unter die Haut. Sein Leben verläuft in ständigen Wechseln. Sein Gesundheitszustand ist instabil. Täglich braucht er seinen „Schuss“.
Selbstkritisch stellt er fest, dass nach all den Jahren des Drogenkonsums sein Körper jetzt abbaut und sicher nicht mehr lange mitmacht. Aber Moses tut was. Er arbeitet in der Putzkolonne, reinigt die Straßen von Fixermüll. Er ist humorvoll und hat einen eigenen Charme. Hier genügt uns ein Instrument, um die Emotionen und die Handlung zu unterstützen, eine E-Gitarre. Am Ende scheint es, als begleite ein Frankfurter Straßenmusiker die Szene.
Sprechende Stille
Anklänge aus Rhythm & Blues sind zu hören. Moses kennt den Blues – täglich. Die E-Gitarre hat eigentlich den Sound des „rebellischen Rock- und Bluesmusikers“. Hier wird das Instrument aber „gefühlvoll“ und „erfahren“ gespielt. Mal pulsiert sie in Achtelnoten, wenn Moses aus der U-Bahn hetzt, mal pausiert sie und lässt „Luft“, wenn auch Moses zur Ruhe kommt. Für uns als Komponisten dokumentarischer Serien sind die Stellen, an denen wir keine Musik machen, übrigens mindestens so wichtig wie die, an denen unsere Musik zu hören ist: Wenn Moses beim Fixen beinahe einen Kollaps bekommt, verbietet sich für uns jede Musik. Solche Momente müssen für sich stehen. Genauso, wie Kamera und Schnitt dem Geschehen in der Serie „Das Bahnhofsviertel“ folgen und es nicht dominieren wollen, verstehen wir auch unsere Musik als feinfühlige Unterstützung beim Erzählen von Wirklichkeit.