Das Komponistenduo Tobias Bösel und Siegfried Rolletter vertont fast alle Reportagereisen für das ZDF – auch Claus Klebers aktuellen Indien-Zweiteiler.
Kiedrich/Rheingau. Wie klingt Indien? Da fällt einem wahrscheinlich gerade mal das Saiteninstrument Sitar und seine lang gezogenen Töne ein. Aber Claus Kleber vom „Heute-Journal“ suchte für seine zweiteilige Reportage über den Subkontinent (Mittwoch, 22.45 und Donnerstag, 22.15 Uhr im ZDF) keine traditionelle meditative Musik: Vielmehr sollte sein Film nach Moderne und Aufbruch klingenso wie er das Land und seine Menschen erfahren hat.
Ein Fall für die Musiktüftler Tobias Bösel (41) und Siegfried Rolletter (44). Sie haben schon Wolf von Lojewskis Masurenreise musikalisch begleitet, sie vertonten „Die Reise der Störche“ (Ende April im ZDF), sie unterlegten Dokumentarfilme über die Kennedys, den Mauerfall und Queen Elizabeth II., sie arbeiten seit 1999 regelmäßig für die Doku-Autoren Bodo Witzke und Ulli Rothaus, deren vierteilige „Ostsee-Geschichten“ an den vergangenen beiden Wochenenden im Zweiten liefen.
Klebers Indienfilm war zwar erst im Entstehen, doch Bösel und Rolletter machten sich gleich an die Arbeit. Sie vertieften sich über Wochen in traditionelle Stücke und den aktuellen Folklore-Pop-Mix, sie probierten Instrumente aus, grübelten über Arrangements, bis schließlich Gitarre und Handdrums – die sorgen für den unnachahmlichen indischen Touch – feststanden und die Musik auf die Zehntelsekunde genau auf die nach und nach eingetroffenen Bilder passte. „Um 9 Uhr sind wir im Studio, vor 20 Uhr kommen wir selten wieder heraus“, sagt Tobias Bösel.
Doch die Einfälle halten sich nicht immer an die Bürozeiten, manchmal kommt der kreative Schub auch auf dem Fahrrad oder an der Käsetheke, dann wird schnell zuhause auf den Anrufbeantworter gesungen.
Musik haben die beiden von klein auf gemacht. Beim Hamburger Bösel lief der Weg zum Hauskomponisten des ZDF mit dem Studium an der Hochschule für Musik in Köln, Auftritten mit diversen Bands, Engagements an den Theatern relativ gradlinig. Sein Kollege Rolletter hingegen lernte erst Werkzeugmacher, studierte Informatik und entwickelte bis 1997 Datenbanken für das BKA in Wiesbaden, bevor er sich doch ganz für die Musik entschied. Die beiden kannten sich von verschiedenen gemeinsamen Auftritten, 1997 swingten sie bei der ZDF-Nachmittagssendung „701 – die Show“ unter anderem mit Götz Alsmann und Roberto Blanco.
Diese Verbindung zum Sender hält bis heute. Vor einigen Jahren haben sie das Dachgeschoss von Siegfried Rolletters Elternhaus in Kiedrich bei Eltville zum Studio ausgebaut. Ihre Kompositionen spielen sie live und von Hand ein („das macht den besonderen Klang aus“), für ausgefallene Instrumentierung holen sie schon mal bis zu sechs weitere Musiker in ihr Studio.
Reich werden sie dabei nicht. „Wir sind froh, wenn wir es einigermaßen halten können“, sagt Rolletter. Denn diese intensive und ambitionierte Arbeit dauert: „Wenn der Film im Rohschnitt vorliegt, vier bis sechs Wochen“, erklärt Rolletter. „Wenn die Bilder erst nach und nach kommen bis zu einem Jahr.“
Die Wirkung ihrer Musik ist verblüffend: Ganz gleich, in welchen der acht Reportagefilme über Russland man hineinhört, man erlauscht sogleich, wohin die Reise hier geht. Man sieht die weiten Landschaften vor sich und zuweilen scheint gar die Kälte zu klirren.
Doch eine Faustformel fürs russische Gefühl haben die Komponisten nicht parat: „Es ist ja nicht so, dass man eine Balalaika nimmt und dazu ein bisschen in Moll intoniert“, sagt Bösel. Die Hauptsache sei das Einfühlungsvermögen in die Bilder und das Bauchgefühl.
Wenn er sich den ganzen Tag Musik ausgedacht hat, greift er abends zur Klassik, „um den Kopf wieder freizubekommen“. Ab und zu herrscht sogar völlige Funkstille. „In meinem Bretagne-Urlaub habe ich nicht eine CD gehört“, erzählt Siegfried Rolletter. „Da bekommt man wieder ein neues Gespür für das Rauschen von Meer und Wind.“ Und das wird sicher die Musik für die nächste Reisereportage durchwehen.
Zwei CDs mit Filmmusiken sind bereits auf dem Markt: Böselrolletter: Filmmusik Highlights Volume 1 und 2. Die beiden hoffen, dass ihre dritte Scheibe bis Weihnachten fertig wird. Die CDs sind im gut sortierten Fachhandel und bei den Komponisten erhältlich.
Autorin: Anne Grages
Link zum Originalartikel: WF Zeitung